Investieren Sie jetzt in generative KI – und in traditionelle KI später (IV1)
Die Versicherungsbranche steht an einem Wendepunkt. Automatisierung und Digitalisierung sind keine Wettbewerbsvorteile mehr, sondern eine Grundvoraussetzung. Nun kommt mit künstlicher Intelligenz eine weitere Technologie hinzu – mit enormem Potenzial, aber auch mit zusätzlichen Investitionskosten und strategischen Entscheidungen.
Während einige Versicherer auf klassische KI setzen, um Muster zu erkennen und Prozesse zu optimieren, ermöglichen generative KI-Modelle völlig neue Formen der Automatisierung.
Doch welche KI-Anwendung verspricht den schnellsten wirtschaftlichen Nutzen?
Die Antwort darauf könnte den Unterschied zwischen einem schnellen Marktvorteil und jahrelangen Investitionskosten ausmachen.
Klassische vs. Generative KI: Die entscheidenden Unterschiede
Bevor Versicherer in KI-Technologien investieren, sollten sie deren Funktionsweise verstehen:
Klassische KI (klassifizierende KI) analysiert Daten und trifft Entscheidungen auf Basis bereits bekannter Muster. Sie wird beispielsweise für Betrugserkennung, Risikomodelle oder Bilderkennung in der Schadensanalyse eingesetzt. Doch um zu funktionieren, muss sie mit unternehmensspezifischen Daten trainiert werden, was aufwendig und teuer ist.
Generative KI geht einen Schritt weiter: Sie erkennt Muster und kann daraus neue Inhalte erzeugen. Das ermöglicht Versicherern, automatisierte Schadensberichte, Vertragszusammenfassungen oder personalisierte Kundenkommunikation ohne aufwendiges Training einzusetzen. Diese Systeme sind bereits umfangreich trainiert und können direkt produktiv genutzt werden.
Warum generative KI zuerst?
1. Sofortige Umsetzbarkeit ohne hohe Einstiegshürden
Generative KI ist fertig trainiert und direkt einsatzbereit, während klassische KI-Modelle erst mit eigenen Daten aufgebaut werden müssen. Versicherer können generative KI sofort für Marketingtexte, automatisierte Kundenkommunikation, Vertragszusammenfassungen und Schadensberichte nutzen.
Wirtschaftlicher Vorteil: Geringere Investitionskosten, da keine aufwendige Datenaufbereitung oder Modelltraining erforderlich ist, zumindest für die ersten einfach umzusetzenden Anwendungsfälle.
2. Kein Bedarf an spezialisierten Data Scientists
Klassische KI erfordert Experten für Datenanalyse, Modelltraining und Optimierung – Ressourcen, die viele Versicherer nicht haben. Generative KI hingegen kann mit bestehenden IT- und Fachabteilungen eingeführt werden. Mit der Zeit baut sich das interne Wissen weiter auf und es können komplexere Anwendungsfälle umgesetzt werden, ohne dass direkt ein Team aus hochspezialisierten Daten- und KI-Experten benötigt wird.
Wirtschaftlicher Vorteil: Schneller Start mit vorhandenen Mitarbeitern, ohne kostspielige Rekrutierung von KI-Spezialisten.
3. Kurzfristig erste Produktivitätsgewinne
Generative KI kann im ersten Schritt Zeit und Ressourcen einsparen, indem sie einfache, aber wertvolle Aufgaben automatisiert. Low-hanging-fruits lassen sich ernten, auf denen dann aufgebaut werden kann:
Erstellung von Trainings- und Marketingunterlagen: Generative KI kann Vertriebsmaterialien, FAQs oder Präsentationen erstellen, indem sie komplexe Versicherungsprodukte vereinfacht und ansprechend aufbereitet. Zudem können individuelle Social-Media-Posts oder Newsletter automatisch generiert werden, um Makler und Kunden gezielt anzusprechen.
Personalisierte Kundenkommunikation: Kundenanfragen können mit generativer KI schneller und individueller beantwortet werden. Beispielsweise kann eine KI automatisch auf eine Anfrage zu Deckungsumfängen reagieren oder einen maßgeschneiderten Vorschlag für eine Vertragsanpassung formulieren.
Zusammenfassen von Vertrags- und Schadenskorrespondenz: Statt sich durch lange Vertrags- oder Schadensakten zu kämpfen, kann generative KI wesentliche Inhalte in wenigen Sätzen zusammenfassen. So erhält der Sachbearbeiter direkt eine prägnante Übersicht über bestehende Policen, Schadenhistorie oder relevante Vertragsklauseln.
Abfrage und verständliche Erklärung von mitversicherten Leistungen: Viele Kunden haben Schwierigkeiten, ihre Versicherungsunterlagen zu verstehen. Generative KI kann auf Basis der Vertragsdokumente in einfachen Worten erklären, welche Leistungen mitversichert sind – z. B. ob ein Mietwagen im Ausland abgedeckt ist oder ob eine Glasbruchversicherung in der Hausratversicherung enthalten ist.
Wirtschaftlicher Vorteil: Reduzierter Arbeitsaufwand und schnellere Bearbeitungszeiten steigern Effizienz und Kundenzufriedenheit, während sich Fachkräfte auf komplexere Aufgaben konzentrieren können.
Fazit: Generative KI als strategischer erster Schritt
Versicherer, die sofort Wert aus KI-Technologien ziehen wollen, sollten generative KI priorisieren. Sie ermöglicht schnelle Erfolge mit minimalem Implementierungsaufwand.
Sobald die Infrastruktur und internen Kompetenzen ausgebaut sind, kann klassische KI als nächster Schritt folgen – dann mit optimierten Daten und dem nötigen Fachwissen.
Wer richtig investiert, sichert sich einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Dieser Artikel basiert auf meinem Vortrag „KI-Anwendungsfälle im Versicherungsvertrieb - Von allgemeinen Chatbots zu smarten Assistenten und autonomen Agenten“, den ich auf dem Kongress “InnoVario 2024: Die Zukunft der Versicherungsbranche ist hier!” gehalten habe.