Praxisbericht: Smart Home und Versicherung – Chancen und Hürden (Teil 2)
Das Smart Home revolutioniert das vernetzte Wohnen und bietet zahlreiche Möglichkeiten – auch für die Versicherungsbranche. Doch obwohl deutsche Versicherer zunehmend spezielle Smart Home-Versicherungen anbieten, bleibt der Durchbruch bisher aus. Wie können Versicherer die Potenziale dieses Trends optimal nutzen, und welche Hürden gilt es zu überwinden?
Im zweiten Teil des Insurance Strategy Talk 2020 diskutierten Jörg-Tobias Hinterthür (Zurich) und ich, Karl Heinz Passler (Basler), die aktuellen Herausforderungen, Chancen und Perspektiven.
Die Herausforderungen von Smart Home aus Sicht der Versicherer
Jörg-Tobias Hinterthür erklärte, dass der Smart-Home-Markt vor allem in fünf Bereichen auf Herausforderungen trifft:
Neue Risiken: Vernetztes Wohnen und Arbeiten bringt neue Gefahren mit sich, die wir als Versicherer absichern müssen, so Hinterthür. Innovative Lösungen seien gefragt, um den Kunden Sicherheit zu bieten.
Komplexität: Viele Kunden empfinden Smart Home als überwältigend. Versicherer können hier als Berater auftreten und einfache Einstiegslösungen anbieten. Hinterthür betonte: Es geht darum, die Hemmschwellen abzubauen und den Kunden das Gefühl von Kontrolle zu geben.
Kundenzugang: Die klassischen Vertriebswege reichen laut Hinterthür nicht mehr aus. Kooperationen mit Hardware- und Softwareanbietern sind entscheidend, um neue Zielgruppen zu erreichen.
Kosten: Smarte Technologien sind oft kostenintensiv. Wir können über Partnerschaften dafür sorgen, dass die Hardware günstiger angeboten wird, so Hinterthür.
Wertvorstellungen der Kunden: Es reicht nicht aus, den Kunden nur Technik zu verkaufen. Versicherer müssen den echten Mehrwert, wie erhöhte Sicherheit und Komfort, aufzeigen. Ein Beispiel hierfür ist der Rauchmelder: Niemand kauft einen Rauchmelder, weil er schön aussieht. Es geht immer um das Bedürfnis nach Sicherheit, erklärte Hinterthür.
Status-Quo: Smart Home und Zusatzdienste
Viele Versicherer integrieren Smart-Home-Technologien in ihre Produkte, meist in Form von Assistance-Leistungen wie:
Smarte Schlösser in Kombination mit Wohngebäudeversicherungen
Wassermelder gekoppelt mit Hausratversicherungen und Installateursdiensten
Die Zurich Versicherung bietet seit 2016 ein Starter-Paket an, das umfangreiche Assistenz- und Serviceleistungen umfasst. Dieses Paket verbindet Hardwarelieferanten, Dienstleister und Versicherer eng miteinander und erleichtert Kunden den Einstieg in smarte Technologien. Unser Ziel ist es, den Kunden eine einfache und nahtlose Erfahrung zu bieten, betonte Hinterthür.
Vernetztes Wohnen und intensiverer Kundenkontakt
Durch smarte Haustechnik ändert sich die Risikolandschaft für Versicherer und Kunden. Physische Risiken wie Einbruch oder Feuer gehen zurück, während neue Gefahren wie Cyberangriffe in den Vordergrund treten. Gleichzeitig können Versicherer durch die Integration smarter Technologien den Kundenkontakt stärken und neue Partnerschaften aufbauen.
Ein weiterer Vorteil smarter Technik liegt in der Prävention. Wir wollen nicht nur im Schadensfall helfen, sondern auch dabei, Risiken von vornherein zu vermeiden, erklärte Hinterthür. Durch nutzerzentrierte Ansätze lassen sich zudem innovative Versicherungsprodukte entwickeln, die auf individuelle Bedürfnisse eingehen.
Ein Blick in die Zukunft: Das Ökosystem Smart Home
Laut Jörg-Tobias Hinterthür liegt die Zukunft des Smart-Home-Marktes in der Entwicklung vernetzter Ökosysteme. Diese Ökosysteme verbinden verschiedene Lebensbereiche wie Mobilität, Wohnen und Gesundheit, sagte er. Die Entwicklung verläuft in drei Stufen:
Sprachsteuerung als Katalysator für die breite Akzeptanz. Zum Beispiel mit Alexa, Google Home Pod.
Isolierte Systeme, die Komfort, Sicherheit oder Energieeffizienz steuern.
Vollständig vernetzte Ökosysteme, die alle Aspekte des Lebens miteinander verbinden.
Versicherer haben hier die Chance, sich vom einfachen Teilnehmer über den systemrelevanten Partner bis hin zum Orchestrator zu entwickeln. Dies erfordert jedoch strategische Planung und die Bereitschaft, neue Geschäftsmodelle zu erschließen.
Fazit
Das Smart Home bietet der Versicherungsbranche enorme Chancen, birgt aber auch Herausforderungen. Kundenängste, technische Komplexität und Kosten sind Hürden, die mit den richtigen Ansätzen überwunden werden können. Versicherer, die Mehrwerte bieten und partnerschaftliche Ökosysteme aufbauen, können nicht nur ihre Relevanz steigern, sondern auch neue Geschäftsmodelle erschließen.
Die zentrale Frage bleibt: Sind die Versicherer bereit, ihre Rolle in diesem dynamischen Markt aktiv zu gestalten?
Dieser Artikel repräsentiert den zweiten Teil der Veranstaltung „Insurance Strategy Talk“ vom März 2020. Aufgrund der Corona-Einschränkungen wurde der Talk als Home-Office Edition durchgeführt. Der Artikel basiert auf der Transkription des Webinar-Videos.
Joerg-Tobias Hinterthür
Head of Innovation Lab SmartHome, Zurich Gruppe Deutschland
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/joerg-tobias-hinterthuer-303b6b100/
Karl Heinz Passler
Basler Versicherung / Baloise Group